Michael Weißmann, Diözesan-CaritasdirektorBurcom
Das Urteil sagt: Wer seinem Leben ein Ende setzen möchte, hat nicht nur die Freiheit, dies zu tun, er darf nun auch um Hilfe Dritter bitten. Begründung: Das Recht auf selbstbestimmtes Leben schließt den eigenen Tod mit ein.
Wird nun der Freitod angesichts vorhandener oder vielleicht auch nur befürchteter Leiden das Mittel der Wahl? Darf dann, wer sein Leben beenden möchte, von Ärzten oder auch Angehörigen und Freunden verlangen, ihn entsprechend dabei zu unterstützen? Und was heißt das für diese Ärzte, Angehörigen und Freunde?
Schwerkranke Menschen, die ohne Aussicht auf Heilung ihrem Lebensende entgegengehen, wünschen sich oft, so heißt es, dass dieses Leben enden möge. "Gebt mir was", rufen sie, "damit ich sterben kann". Von Freiheit, Erlösung und Würde ist die Rede.
Viele in unserem Land sehen das offenbar ähnlich und der Karlsruher Richterspruch hat den Weg dorthin geebnet. Der selbst herbeigeführte Tod bei schwerer Krankheit wird zur Option und es steht zu befürchten, dass damit auch die Erwartung wächst, diese Option zu ziehen, um sich selber oder auch den pflegenden Angehörigen Leid zu ersparen. Sterbehilfe-Organisationen gibt es bereits, sie dürfen größere Aufmerksamkeit erwarten.
Palliativmediziner und Mitarbeitende in Hospizdiensten sprechen eine andere Sprache. Sie sprechen auch von Hoffnung, von Geborgenheit und von Dankbarkeit für die Begleitung auf dem letzten Weg. Sie sprechen von Sehnsucht nach Leben.
Die allermeisten Menschen wünschen sich, zuhause sterben zu dürfen, in vertrauter Umgebung, im Kreise von Familie und Angehörigen. Nur in 20% der Fälle gelingt dies auch. Alte und schwerkranke Menschen sterben in Einrichtungen wie Pflegeheimen oder in den allermeisten Fällen im Krankenhaus. Bei aller Anstrengung der Pflegenden dort können sie die Sicherheit und Geborgenheit häuslicher Nähe nicht ersetzen.
Wer Nähe schaffen will, muss informieren, was Hospizangebote für die Menschen bedeuten können und was zu leisten Palliativmedizin im Stande ist. Gleichzeitig müssen noch viel mehr Menschen als heute Zugang zu solchen Angeboten erhalten können.
Nähe schaffen heißt auch, Pflegepersonal in den ambulanten Diensten und nicht zuletzt Hausärzte weiter zu qualifizieren, damit auch ortsnah fachkundige Hilfe zur Verfügung steht. Und Nähe schaffen heißt schließlich, Angehörigen in schwierigen Situationen frühzeitig Hilfsangebote zur Verfügung zu stellen, damit sie in schwieriger Zeit Mut schöpfen und selber Trost finden können.
Gott schenkt uns unser Leben, das einzigartig ist und wertvoll bis zuletzt. Die menschenwürdige Antwort in größter Not ist nicht der freiwillige Tod. Die menschenwürdige Antwort sind Nähe, Zuwendung und Medizin, die Angst und Schmerzen nehmen kann. Hier lohnt es sich, weiter zu investieren.
Ein Todeswunsch ist vielleicht oft ein Hilferuf.
Kümmere Dich um mich. Sei bei mir – in meinem Sterben, weil das immer noch mein Leben ist.
Positionspapier von Diözesan-Caritasdirektor Michael Weißmann