Jeden zweiten Freitag macht sich Bärbel Kiechle, Palliative Care Kraft und jetzt in Rente, auf den Weg in das Seniorenheim des Katharinenspitals in Regensburg. Ihr Ziel ist die hauseigene Kapelle. Zunächst hält sie einen kurzen Moment inne, um dann mit den Vorbereitungen zu beginnen: Sie legt die Lied- und Gebetsmappen bereit und bringt, je nach Anlass, häufig auch Utensilien mit, die zum Jahreskreis passen. Langsam füllt sich der Raum: Bärbel Kiechle leitet den Gebetskreis im St. Katharinenspital - ehrenamtlich. "In der Regel kommen zwischen acht und zehn Teilnehmerinnen", erzählt Kiechle. "Männer haben wir bisher noch keine in unserer Runde. Aber vielleicht stößt ja bald der erste hinzu."
Gebetskreise gehören heute kaum noch zur Tagesordnung - warum also eine solche Runde neu starten? "Mit dem regelmäßigen Gebet geben wir den Menschen spirituelle Unterstützung im Alltag", so Kiechle. "Bei unserem gemeinsamen Gebet erfahren wir, dass wir zu keinem Zeitpunkt alleine sind." Dass sei wichtig, denn: "Im fortgeschrittenen Alter setzt man sich viel mit dem Lebensende auseinander", erzählt Elfriede Sedlaty, die seit März 2021 im Katharinenspital wohnt. "Insbesondere bei der Trauerbewältigung ist die Gebetsrunde eine große Stütze."
Häufig erzählen die Teilnehmerinnen ihren Zimmernachbarn, den Angehörigen, aber auch dem Team von St. Katharina vom Gebetskreis, berichtet Heimleiterin Bettina Schwab. "Damit tragen sie die Gedanken, den Glauben und die frohe Botschaft weiter, wovon unser gesamtes Haus profitiert." Ein Souvenir an die Gemeinschaft begleitet die Gruppe auch außerhalb der Runde: Die Caritas Regensburg spendete allen Teilnehmerinnen Handkreuze, die sie mit auf ihre Zimmer nehmen und somit auch dort in ruhigen Momenten zur Hand nehmen können. "Auf Wunsch der Gruppe wurden die Handkreuze sogar gesegnet", so Kiechle.
Die Leiterin freut sich über die positive Resonanz und die Unterstützung, die sie im Katharinenspital erfährt: "Ohne den engagierten Sozialdienst hier vor Ort wäre der Gebetskreis nicht möglich. Die Mitarbeiterinnen helfen bei der Vorbereitung, fragen an den einzelnen Terminen an, wer teilnehmen möchte, und begleiten die Teilnehmerinnen zur Kapelle und auch im Gebet. Ich bin dankbar, dass ich hier so offen und unterstützend empfangen wurde." Auch Prälat Hermann Hierold, der Seelsorger des Katharinenspitals, begrüße das neue Angebot: "Seinen Besuch im Gebetskreis hat er bereits angekündigt, darauf freuen wir uns schon."
"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" ist der stetige Leitgedanke des Gebetskreises; die Themen variieren aber von Termin zu Termin. Auch wenn Bärbel Kiechle immer ein kleines Programm vorbereitet, so bleibt ausreichend Zeit und Raum für die Gedanken und Anliegen der Teilnehmerinnen. "Sie teilen mit der Gemeinschaft, was sie gerade beschäftigt: sei es die Erkrankung einer Person im Haus oder der Abschied von einer Zimmernachbarin. Auch eigene Fürbitten bringen sie mit." Neben dem Gebet werden auch Lieder gesungen - Lieder, die heute fast schon in Vergessenheit geraten sind, die Teilnehmerinnen aus ihrer Kindheit und Jugend aber noch gut kennen. "Milde Königin gedenke singen wir häufig", sagt Kiechle. "Das Schöne daran ist, dass auch eine Teilnehmerin mit Demenzerkrankung dank der gefestigten Erinnerung mitsingen kann. Sie blüht dabei regelrecht auf."
Die Teilhabemöglichkeit für alle steht generell im Vordergrund des Gebetskreises: Die Gebets- und Liedtexte in der Mappe sind in großer, lesefreundlicher Schrift gedruckt. "Und auch sonst organisieren wir uns ganz nach den Möglichkeiten der Teilnehmerinnen. Eine Dame hört zum Beispiel schlecht, sie sitzt immer rechts neben mir, damit sie bei Bedarf nachfragen kann. Eine andere Dame benötigt nach einem Schlaganfall Hilfe beim Umblättern. Aber wir helfen uns gegenseitig, und auch der Sozialdienst ist ja vor Ort." Aber Kiechle kümmert sich nicht nur um den Gebetskreis selbst: Sie besucht auf Wunsch auch Personen in ihren Zimmern und betet dort mit ihnen.
Die Gemeinschaft zu fördern und Halt am Lebensabend zu stiften: Das sind zwei der Gründe, warum im Auftrag des Bischofs von Regensburg die Diözese jährlich Anliegen aus dem Hospiz- und Palliativbereich fördert. Die Idee zum Projekt entwickelte Anita Kerscher, Leiterin der Fachstelle Hospizarbeit und Palliative Care bei der Caritas. Ihr Ziel ist es, mit dem Gebetskreis die spirituelle Begleitung älterer Menschen auszubauen - zusätzlich zur Seelsorge durch Prälat Hierold. Denn nicht nur die physische Pflege ist den Seniorinnen und Senioren wichtig: "Wir bestehen aus Leib und Seele, das heißt, auch unser Geist braucht Nahrung", sagt Teilnehmerin Elfriede Sedlaty. "Außerdem sollte man selbst mit 90 nicht aufhören, an sich zu arbeiten."