Regensburg - Ist es noch zeitgemäß, von Türe zu Türe zu gehen, um nachzufragen, ob jemand im wahrsten Sinne des Wortes für die Not anderer Menschen "etwas übrighat"? Die Caritas-Sammlung im Frühjahr und im Herbst machen sich Hunderte Helferinnen und Helfer unter dem Zeichen des Flammenkreuzes auf den Weg. Sie steht einerseits für die Hilfsbereitschaft der Menschen in über 700 Pfarreien im Bistum Regensburg. Sie steht auch für den Einsatz von 15.000 Helferinnen und Helfern, die im Namen der Caritas nicht nur "sammeln gehen", sondern auch tagtäglich ihre Zeit, ihr Wissen und Können, ihre tatkräftige Hilfe unter dem Motto "Mitmenschlichkeit leben" zur Verfügung zu stellen.
Die Helfenden
Die Caritas im Bistum Regensburg unterstützt jährlich rund 350.000 Menschen in verschiedenen Diensten und Einrichtungen. Eine wichtige Rolle spielen dabei zahlreiche Beratungsangebote. "Beratung ist Lebenshilfe", betont Caritasdirektor Michael Weißmann. "In unseren Beratungsstellen, insbesondere in der Allgemeinen Sozialberatung und in der Schuldnerberatung, wird deutlich: die Notlagen der Menschen verschärfen sich", so Weißmann. Noch immer steigende Energie- und Lebensmittelpreise bringen auch Menschen in existenzielle Nöte, für die der Gang in eine Beratungsstelle bislang nicht vorstellbar war. Diese aktuell stark nachgefragten Dienste werden nicht vom Staat getragen, sondern werden durch Kirchensteuer und durch Spenden finanziert. Es sind Menschen wie Christiane Stubitzer, die diese Spenden einsammeln - und damit Menschen in Not helfen.
Christiane Stubitzer wurde von ihrer Nachbarin, die körperlich nicht mehr in der Lage war, für die Caritas sammeln zu gehen, gefragt, ob sie bereit wäre, das Ehrenamt zu übernehmen. Für die 51-Jährige war das keine Frage, denn schon ihre bedürftige Großmutter hatte nach dem Zweiten Weltkrieg von ihrer Pfarrgemeinde Hilfe erhalten: "Mehl und Stoff zum Nähen für Kleidung hat meine Großmutter eigentlich immer bekommen", sagt Christiane Stubitzer. In ihrem Bezirk Brückendorf/Gmünd gibt es nur 25 Häuser, aber das Sammeln dauert dort länger, als man meinen würde: "Es besteht eigentlich immer Redebedarf bei den Spenderinnen und Spendern", beschreibt Christiane fröhlich ihre Sammelerfahrung.
Seit neun Jahren ist Max Duschinger (69) in Burglengenfeld im Dienst der Caritas unterwegs.
"Jeder sollte seinen Beitrag für die Gemeinschaft leisten", ist der Pensionär überzeugt. Für Max Duschinger ist das Ehrenamt mit vielen schönen Erinnerungen verbunden, auch wenn es manchmal negative Momente gibt. Zum Beispiel wenn er sich noch nicht mal richtig vorgestellt hat und ihm schon die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. "Manchmal fühlt es sich wie Betteln an", sagt Duschinger nachdenklich, um gleich darauf die schönen Momente aufzuzählen. Wie einmal, als er vor Kälte seine Finger nicht mehr spürte und beim Wechseln zu Gunsten des Spenders herausgegeben hat. Erschrocken über seine Unachtsamkeit, grämt er sich bis spät in die Nacht. Als er sich am nächsten Tag wieder zum Sammeln aufrafft, bremst abrupt ein Auto neben ihm. Der Spender vom Vortag springt heraus und drückt ihm die verloren geglaubte Summe wieder in die Hand.
"Die Gelder, die bei den Caritas-Sammlungen jedes Jahr zusammenkommen, sind für uns ein unverzichtbares Mittel in der seelsorgerischen Arbeit", unterstreicht Andreas Meixner von der Kirchenverwaltung der Pfarrgemeinde St. Anton in Regensburg. 50 Prozent der Sammlungsgelder bleiben bekanntlich in den jeweiligen Pfarreien und ermöglichen dort viele Hilfsprojekte.
Nach Beispielen muss auch Dekan Josef Weindl aus der 10.000-Einwohner-Stadt Neutraubling im Dekanat Donaustauf-Schierling nicht lange suchen. "Neutraubling ist eine reiche Stadt", spricht Dekan Josef Weindl für seine Gemeinde mit rund 6.000 Katholiken. "Es gibt hier soziale Brennpunkte. Hier kommen ständig Flüchtlinge an, Migranten aus anderen Ländern." In Neutraubling halten weit über 50 Helfende eine Tafel, eine Kleiderkammer und von Montag bis Donnerstag eine Hausaufgabenstube für Migranten-Kinder am Leben. "Unsere Betreuungsteams sind so nahe an diesen Menschen dran, wie ich das als Pfarrer gar nicht sein könnte."
Caritas wirkt "in der Arena des Lebens"
350.000 Menschen hilft die Caritas im Bistum Regensburg jedes Jahr. "Damit könnte man die Münchner Allianz Arena fast fünf Mal füllen", beschreibt Caritas-Direktor Michael Weißmann die große Zahl Hilfesuchender. Er umreißt das "bunte" Publikum, das die Caritas an vielen Orten jeden Tag des Jahres annimmt: "Da säßen Menschen aus aller Welt, ukrainische, äthiopische oder syrische Geflüchtete neben obdachlosen Deutschen, das säßen Schwangere ohne Wohnung und Einkommen, da säßen Demenenzkranke, Alkoholabhängige und Haftentlassene neben Menschen mit Handicap", so Weißmann bei der Dankesrunde durch die Dekanate, "und mittendrin in diesem bunten Fest in der Arena des Lebens säßen auch alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Caritas."