Marion Santl, Leiterin der Caritas Suchtambulanz (links) mit Referatsleiter Dr. Robert Seitz (2.v.l.) und den Hauptreferenten beim Fachtag „Sucht im Betrieb“ Stephan Gruber von der Fachklinik Haselbach und Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle für GlücksspielsuchtFoto: H. C. Wagner
Regensburg. "Das Thema Sucht muss raus aus der Tabuecke", forderte Marion Santl, Leiterin der Caritas Fachambulanz für Suchtprobleme beim Fachtag "Sucht im Betrieb". Ein guter und erkennbarer Schritt sei die rege Teilnahme zahlreicher Unternehmensvertreterinnen und -vertreter. "Mit der großen medialen Wahrnehmung des neuen Jahrbuches Sucht der Deutschen Fachstelle für Suchtfragen ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg gelungen", unterstrich Santl. Gerade im legalen und digitalen Bereich, also Alkohol, Nikotin und Glücksspiel, bestehe ein großer Nachholbedarf an Regulationen, vor allem in den Bereichen Einschränkung von Verfügbarkeit, Werbeverbote und höhere Steuern. "Ein totales Verbot ist keine Lösung", verwies Santl auf die Misserfolge von Prohibitions-, also Verbotsphasen in verschiedenen Ländern.
"Wegschauen hilft nicht beim Thema Sucht im Betrieb", begrüßte Dr. Robert Seitz, Abteilungsleiter Bildung und Soziales bei der Caritas Regensburg, die Teilnehmenden. "Sie nehmen das Thema ernst und wissen, dass ein gutes betriebliches Suchtmanagement eine gute Investition ist." Der Schwerpunkt "digital" sei ein brennendes Problem, schon bei Kindern und Jugendlichen. Dr. Seitz führte das exemplarisch am digitalen Konsum Zehn- bis Siebzehnjähriger aus, von welchen 20 Prozent riskantes, fünf Prozent pathologisches Konsumverhalten zeigten. "Eine gänzlich neue Gefahr geht von der Künstlichen Intelligenz aus", so Seitz, "heute verlieben sich manche Menschen sogar in die KI und vertrauen sich ihr an." So habe sich ein belgischer Familienvater das Leben genommen, nachdem ihm sein Chatbot gemeinsame ewige Liebe im Paradies versprochen hatte.
Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle für Glücksspielsucht referierte beim Fachtag „Sucht im Betrieb“ zum Thema „Zwischen Job und Jackpot – Wenn Glücksspiel zur Gefahr wird“.Foto: H. C. Wagner
Erfolg, Reichtum und Sorgenfreiheit versprechen auch zahlreiche Online-Glücksspieldienste. Ebenso wie Alkohol- oder Drogensucht, deren Folgen in den Betrieben oft nicht oder sehr spät erkannt werden, sei Glücksspielsucht lange verbergbar, aber in ihren Folgen ebenfalls schwerwiegend. "Zwischen Job und Jackpot - Wenn Glücksspiel zur Gefahr wird", lautete der Fachbeitrag von Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht (LSG) in Bayern. Unter seiner Leitung hat sich die LSG zu einem wichtigen Akteur in der Suchtprävention entwickelt - mit einem flächendeckenden Netz an Fachstellen, innovativen Projekten wie dem 'Online-Streetwork' und einer klaren Haltung, wenn es um Spielerschutz und Regulierung geht. In seinem überregionalen Engagement setzt sich Landgraf im Bündnis gegen Sportwetten-Werbung für eine kritische Auseinandersetzung mit Glücksspielmarketing ein.
Unter dem Titel "Zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz und Risiko" referierte Stephan Gruber zu den Folgen und Therapieansätzen für Alkoholkranke am Arbeitsplatz. Gruber ist Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie, und leitet die Caritas Fachklinik Haselbach. Er kennt das Thema Alkoholsucht nicht nur aus klinischer Perspektive, sondern kann auch mit langjähriger praktischer Erfahrung in der Suchthilfe helfen. Stephan Gruber begleitet mit seinem multiprofessionellen Team Menschen in schwierigen Lebensphasen - mit medizinischer Expertise, therapeutischer Tiefe und einem ganzheitlichen Blick auf das Thema Abhängigkeitserkrankungen. Sein besonderer Fokus liegt dabei auf der Verbindung von psychiatrischer Versorgung, psychotherapeutischer Begleitung und nachhaltiger sozialer Reintegration.
Einer der weiteren Vortragsschwerpunkte war die Prävention. Die beiden Suchttherapeuten Karolina Zahnweh und Cornelius Kammerl aus dem Team von Marion Santl referierten und dem Titel "Genuss und Gefahr": Prävention beginne nicht erst, wenn ein Problem sichtbar wird. Sie beginnt oft viel früher - und idealerweise auch beim Einstieg ins Berufsleben. Ein besonderes Augenmerk müsse auf der sensiblen und wichtigen Zielgruppe der Auszubildenden liegen. Sie seien jung, stünden am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn - und bewegten sich in einer Lebensphase, die geprägt sei von neuen Freiheiten, neuen Anforderungen und auch neuen Risiken.
Inwieweit können digitale Angebote dabei helfen , den Weg aus der Abhängigkeit oder dem riskanten Konsum zu finden? Welche digitalen Tools gibt es aktuell? Was können sie leisten - und wo liegen ihre Grenzen? - So ein weiterer Themenblock der ganztägigen Veranstaltung der von Olivia Mantwill, Soziologin und Suchtberaterin der Regensburger Caritas Fachambulanz, anschaulich präsentiert wurde. Für betriebliche Beraterinnen und -berater ist das ein aktuelles Thema - denn viele Beschäftigte informieren sich heute zuerst online oder wünschen sich niedrigschwellige, flexible Hilfsangebote. Umso wichtiger ist es, die Chancen und Herausforderungen dieser digitalen Entwicklung zu kennen und kritisch einzuordnen.
"Mit dem Fachtag wollten wir - gemäß dem Caritas Jahresmotto - Türen öffnen,", fasste Marion Santl die Veranstaltung zusammen, "Türen öffnen, um auf verschiedene Aspekte des großen Themas Sucht hinzuweisen." Betriebliche Ansprechpersonen zum Thema Sucht und psychische Gesundheit konnten sich auch dieses Mal wieder gut vernetzen, in einen Austausch miteinander gehen und sich über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen informieren. Die Vorplanungen für den Fachtag "Sucht im Betrieb 2026" haben bereits begonnen.
Marion Santl, Leiterin der Caritas Suchtambulanz, konnte beim Fachtag „Sucht im Betrieb“ zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen aus ganz Bayern in Regensburg begrüßenFoto: H. C. Wagner