Angesichts hoher Belastungen im Alltag durch Arbeit und Leistungsdruck greift manch einer auf Crystal Meth zurück.
Es ist eine Szene wie aus einem Film: Ein 20-jähriger Mann betritt mit seinem Vater die Fachambulanz für Suchtprobleme in Schwandorf. Nach den Formalien zu Ablauf, Datenschutz und Schweigepflicht kommt der junge Mann sofort zum Thema: Die Situation sei nicht mehr auszuhalten. Der Drogenkonsum würde schon seit mehreren Jahren kein Ende nehmen. Die psychische Belastung ist dem jungen Mann deutlich anzusehen. Der Drogenkonsum macht ihm sichtbar zu schaffen. Es geht um Crystal Meth. Er berichtet von einem Rück -fall und sagt dann: »Papa, du musst dir helfen lassen!«
Leistungsdruck veranlasst zum Konsum
Waren es vor einigen Jahren noch vor allem Jugendliche, konsumieren inzwischen immer häufiger auch über 50-Jährige. Längst ist der Konsum von Crystal Meth in der gesamten Gesellschaft angekommen. Auffallend ist: Der Anteil an Frauen ist unter den Konsumenten deutlich höher als bei anderen illegalen Drogen. »Die jüngsten Konsumenten sind gerade einmal 15 Jahre alt. Nach oben hin ist keine Altersgrenze zu erkennen«, sagt Karin Schmittner. Sie ist Suchttherapeutin an der Fachambulanz für Suchtprobleme in Schwan-dorf und hat an einer Arbeitshilfe für Drogen-fachleute mitgearbeitet.
Doch welcher besondere Reiz liegt für Konsumenten im Methamphetamin? Früher wurden vorwiegend beruhigende Substanzen konsumiert, um dem Alltag zu entfliehen. Heute lässt sich ein Trend zu aufputschenden Substanzen feststellen - um den Anforderungen der Leistungsgesellschaft gerecht zu werden. Eine hohe Belastung im Beruf ist oft eine der Gemeinsamkeiten der Konsumenten. So wird Crystal Meth konsumiert, um einem Leistungseinbruch entgegenzusteuern. Schicht- und Fließbandarbeiter greifen ebenso darauf zurück wie Manager, Studierende oder Menschen in befristeten oder prekären Arbeitsverhältnissen.
Crystal Meth wird darüber hinaus zur Gewichtsreduktion missbraucht; Konsumenten verspüren kaum noch Hunger oder Durst. Auch hier macht sich der gesellschaftliche Druck bemerkbar: Eine Betroffene hat während ihrer Entwöhnung an Gewicht zugenommen, was neben ihren Depressionen einen Rückfall auslöste. Zu Beginn scheint die Droge zu helfen: Viele Konsumenten geben an, dass der Konsum Angst verringert; Hunger, Durst und Schmerzen seien abgestellt. Sie können laut Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) nach Einnahme sogar mehrere Tage ohne Schlaf auskommen. Den Rausch erleben Betroffene häufig als produktiv und bewerten ihn daher nicht als negativ. Nach anfangs enorm positiver Wirkung zeigt sich die hohe Gefährlichkeit der Droge.
Nach dem Rausch sind Betroffene häufig besonders unruhig und reizbar, doch auch antriebslos, lethargisch und depressiv. Dem wollen sie schließlich entgegenwirken und konsumieren erneut, damit sie ihre gefühlte Leistungsfähigkeit wiederherstellen; hier beginnt die Sucht spirale. Langanhaltender und schwerer Konsum verändert die Persönlichkeit, es treten Psychosen und Ängste auf, häufig in Verbindung mit Wahrnehmungsstörungen, Verfolgungswahn und Zwangsgedanken. Bei einer Suchterkrankung ist die Anbindung an die Fachambulanzen für Suchtprobleme dringend notwendig. Alleine kann eine Sucht nicht überwunden werden.
Ostbayern ist weiterhin Hotspot
Ostbayern ist ein Hotspot für Crystal. Die Nähe zu Tschechien lässt den Absatz in der bayerischen Grenzregion boomen - als Umschlagplatz und Gebiet vieler Konsumenten. Tschechien gilt neben den Niederlanden, als größter Produzent von Methamphetamin in Europa. Die Produktionskosten dort sind vergleichsweise günstig.
Methamphetamin gehört zu den Drogen mit dem größten zerstörerischen Potenzial für Konsumenten. Es kann das Nervensystem unwiderruflich schädigen und Depressionen auslösen. Dennoch entwickelt nicht jeder Konsument innerhalb kurzer Zeit eine schwer wiegende Sucht; je nach Ausmaß des Konsums werden körperliche und psychische Schäden erst nach längerer Zeit sichtbar. Die Suchtgefahr ist hingegen vergleichsweise groß. Crystal Meth wird in ganz Bayern und in allen Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten konsumiert.
Die Caritas Suchthilfe hat in Ostbayern ein weitreichendes Netzwerk für Ratsuchende etabliert; die Berater haben Methoden entwickelt, um eine passgenaue Beratung an den Fachambulanzen anzubieten. Bei Crystal werden beispielsweise häufig Freitags- bzw. Montagstermine vergeben, weil der Konsum vor allem am Wochenende statt-findet. So orientiert sich die Beratung stets an der persönlichen Situation der Betroffenen.