Mit diesem Banner an der Fensterfront ihres Gebäudes gedenkt die Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme in Dingolfing verstorbener Drogenabhängiger.Fachambulanz Dingolfing/ Jessica Fretschner
Denn jedes Jahr sterben auch im Landkreis Dingolfing-Landau Menschen an einer Überdosis, einem tödlichen Cocktail oder an den Folgen ihrer Sucht. Nicht nur im Bereich der illegalen, harten Drogen, sondern auch an den Folgen einer jahrelangen Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme in Dingolfing kennen die Situation nur zu gut. Auch in der ersten Jahreshälfte mussten Klienten nach einer Überdosis reanimiert werden oder starben daran. "Diese Nachricht trifft einen sehr, auch nach jahrelanger Berufserfahrung", sagt Sandra Süssel, Leiterin der Fachambulanz in Dingolfing, anlässlich des Gedenktages für verstorbene Drogenabhängige. "Nicht selten kannten die Mitarbeiter den Betroffenen und haben ihn vielleicht auch ein Stück begleitet. Nicht immer greift die Beratung und das Hilfenetz und kann den Betroffenen helfen. Hier ist neben einer guten Ausbildung vor allem ein starkes Team wichtig, um auch die eigene Psyche zu stärken", so Süssel weiter.
Für Angehörige, Freunde und Bekannte bleibt oft die Frage nach dem Warum. Weshalb konsumiert ein Mensch weiter, auch wenn der Tod die Konsequenz sein kann? Menschen, die Familie haben, einer Arbeit nachgehen, vermeintlich fest im Leben stehen.
Ein Klient berichtet: "Ich hatte bereits einige Überdosen und wurde auch schon reanimiert." Er sei sich bewusst darüber, dass seine Familie große Angst um ihn habe. Er sei bereits einige Zeit lang inhaftiert gewesen, schaffe es aber einfach nicht, sein Leben ohne Drogenkonsum zu führen. Mit Tränen in den Augen sagt er: "Ich tu anderen weh, und ich weiß das und ich weiß, was ich meiner Tochter antue." Er schluckt schwer. "Ich mache alles nur kaputt." Wenn der Suchtdruck nicht allzu groß sei, glaube er manchmal, er könne die Drogen kontrollieren. "Dabei kontrollieren die Drogen mich." Die Verharmlosung und der grenzenlose Glaube, es werde ihm schon nichts passieren kämen hinzu - und dann gäbe es kein Stopp mehr.
Dies sei charakteristisch für suchtkranke Menschen, weiß Süssel. Der Suchtdruck, auch "Craving" genannt, bewirke, dass das Gehirn des Abhängigen unbedingt nach der Droge verlange. Dieses Verlangen siege letztendlich über die Vernunft und es werde ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Hinblick auf mögliche Konsequenzen konsumiert. Der Tod werde billigend in Kauf genommen. Der Klient sagt: "Man weiß, dass man sterben kann. Ich habe es schon bei einigen Freunden erlebt. In der Drogenszene lebt man mit diesem Risiko."
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Fachambulanz sehen ihre Aufgabe daher auch darin, den suchtkranken Menschen durch Begegnung und Gespräch wieder etwas Lebenssinn zu vermitteln - und im besten Fall den Weg über eine stationäre Langzeittherapie in die Abstinenz aufzuzeigen. Auch die Begleitung einer Substitutionsbehandlung ist oftmals sinnvoll. Hier steht vor allem der Aufbau oder Erhalt einer Alltagsstruktur und eine Stabilisierung des eigenen Lebens ohne weiteren Drogenkonsum (Beigebrauch) im Vordergrund.
Beratung und Therapie haben nicht nur Abstinenz oder eine Begleitung im Sinne von Schadensminimierung zum Ziel, sondern auch das Bearbeiten der Hintergründe und Suchen eines neuen Lösungsweges für den Umgang mit emotionalen Belastungen. "Hierfür ist der Aufbau einer tragfähige Beziehung mit dem Klienten notwendig", erklärt Süssel. Häufig haben die Klienten in ihrem ganzen Leben keine ausreichend wertschätzenden Beziehungen erfahren.
In diesem Sinne ermahnt die Fachambulanz sich und andere dazu, den Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige zum Anlass zu nehmen, auch über sich selbst und den Umgang miteinander, mit den Partnern, Kindern und Kollegen nachzusinnen. Wie wertschätzend und ehrlich gestalten wir unsere Beziehungen? Der Religionsphilosoph Martin Buber sagte mal: "Der Mensch wird am Du zum Ich." Er brauche ein Gegenüber, um sich entwickeln zu können. Auch die Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme in Dingolfing bietet ihren Klienten ein Du an - um eine Veränderung überhaupt möglich zu machen.
Zusatzinfo: Hilfe für Betroffene und Angehörige
Die Fachambulanz in Dingolfing bietet für Betroffene und Angehörige jeden Montag von 11 Uhr bis 12 Uhr und jeden Donnerstag von 16 Uhr bis 17 Uhr eine offene Sprechstunde an. In diesem Rahmen finden Anmeldegespräche für die weitere Beratung statt. Wer Fragen hat, kann sich gerne an die Beratungsstelle wenden, telefonisch unter (08731) 325 73 30 oder per E-Mail anberatung@suchtambulanz-dingolfing.de. Weitere Informationen:www.suchtambulanz-dingolfing.de.
Der deutsche Caritasverband bietet zudem Onlineberatung an:www.caritas.de/onlineberatung