"1992 hatten wir 1852 neu zugewiesene deutsche Aussiedler aus den ehemaligen Ostblockstaaten und 1036 Asylbewerber und Asylberechtigte", erinnert sich Christiane Greindl-Block. Sie arbeitet seit 1991 in der Integrationsarbeit, als Leiterin der Migrationsberatung (MBE) für erwachsene Zuwanderer bei der Caritas Cham. Sie hat miterlebt, wie weltweite Krisen immer wieder Fluchtbewegungen ausgelöst haben. Auf 25 Jahre zurückblickend sagt sie: "Es hat geklappt, sie sind angekommen". Oder frei nach Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wir haben es geschafft!"
"Heute treffe ich die Kinder und Enkel der ersten Generation Wolgadeutscher in der Stadt beim Bäcker", sagt Greindl-Bock. Die meisten haben eine Arbeit und eine Wohnung. In den frühen 1990ern waren neben einer großen Anzahl Wolgadeutscher auch anerkannte Asylbewerber aus Rumänien, Bulgarien, Indien und afrikanischen Ländern zu betreuen. "Auch da waren schon Muslime aus dem Iran und Irak dabei", ergänzt sie. Ein bisschen stolz ist sie schon, dass die Integration geklappt hat. In der Region ist man sogar überzeugt, dass der Zuzug Russlanddeutscher um die Jahrtausendwende einen drohenden Fachkräftemangel verhinderte. Als Mitte der 1990er Jahre die Zahl der Migranten kleiner wurde, sparte man die Asylberatungsstelle ein. 18 Jahre lang gab es keine derartige Asylberatung mehr. Erst vor drei Jahren, im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" wurde die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber wieder unabdingbar. Mittlerweile sind die Strukturen wieder eingerichtet und vor allem im Landkreis Cham läuft es exzellent, bestätigt Erwin Röhrer, Regionalkoordinator des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das Engagement der Ehrenamtlichen ist beeindruckend. Dass in und um Cham jeder jeden kennt und deshalb niemand in der Anonymität verschwinde, sei ein großes Plus. Außerdem gebe es Arbeit und bezahlbaren Wohnraum, betonte Röhrer. Die Caritas-Beraterin schränkt jedoch ein: "Manchmal klappt es erst in der zweiten Generation". Integration brauche Zeit, Geduld und harte Arbeit. Ende 2016 lebten 6473 Ausländer im Landkreis Cham, darunter 1448 Flüchtlinge.
Gemeinsam für Integration
Integrationsarbeit könne heutzutage keiner allein bewältigen. Es braucht Zusammenarbeit und Vernetzung. Annemarie Neuhierl vom Jugendmigrationsdienst und Christiane Greindl-Block gehen seit vielen Jahren Hand in Hand zur Intensivierung der Integration im Landkreis. Dazu die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, auf die man sich immer verlassen könne. Zusammenarbeit braucht Kommunikation. Also fand 2015 ein gemeinsames Integrationsforum mit allen wichtigen Akteuren der Integrationsarbeit, aus Ämtern, Behörden, Organisationen und Vereinen statt. Heute noch realisieren die 36 Netzwerkpartner von damals gemeinsame Projekte. "Die Caritas Cham leistet ihren Beitrag in vielerlei Hinsicht", bestätigt Erwin Röhrer. Die Caritas unterstützt und berät beispielsweise zum Erhalt staatlicher Leistungen zur Lebenssicherung oder bei Fragen der beruflichen Eingliederung. Zudem begleitet sie im Vorfeld individuell die ersten Integrationsschritte. Bei Bedarf kann sie auch an andere Fachberatungsstellen weitervermitteln. Und auch für die Ehrenamtlichen ist die Beratungsstelle der Caritas eine wichtige Anlaufstelle.
Sprache als Schlüssel zur Integration
Alle Akteure sind sich einig: Der Erwerb der deutschen Sprache ist der erste wichtige Schritt hin zu einer gelingenden Integration. Der "Alphabetisierungskurs für Migranten" wird seit 2010 von der Caritas in Cham angeboten. Die Teilnehmer lernen dort zunächst das lateinische Alphabet. Zwei ehrenamtlich tätige pensionierte Lehrkräfte leiten den Kurs an zwei Vormittagen in der Woche, die Caritas stellt das Unterrichtsmaterial. Reinhard Adametz ist einer der beiden Dozenten: "Die meisten kommen mit abgeschlossenem Hochschulstudium zu uns, sie müssen lediglich die Sprache lernen", sagte er. An der Berufsschule wurden spezielle Integrationsklassen eingerichtet. 190 Jugendliche werden derzeit dort unterrichtet. "Ohne deutsche Sprache keine qualifizierte Arbeit", sagt Christiane Greindl-Block. Und dauerhafte Integration benötige neben dem Erwerb der Sprachkompetenz auch die Anerkennung der gesellschaftlichen Regeln in Deutschland. Integration sei ein Prozess, der alle, Einheimische wie Fremde fordert. In Cham wurde in den vergangenen 25 Jahren viel geschafft. Darauf dürfen alle Akteure zurecht stolz sein.