Arbeiten statt Urlaub im Land der Gegensätze
Humanitärer Einsatz in Myanmar: Dr. Michael T. Pawlik (h. li. und h. re.) und Professor Dr. Lukas Prantl mit Kollegen, Patienten und deren Angehörigen Caritas-Krankenhaus St. Josef
Das Wort "Facharzt" kann als Synonym für viel Arbeit verwendet werden. Richtiger Urlaub ist selten. Umso bewundernswerter, dass Professor Dr. Lukas Prantl, Chirurg für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie, und Privatdozent Dr. Michael T. Pawlik, Chefarzt für Anästhesie, ihren Urlaub freiwillig mit noch mehr Arbeit verbrachten. In einem außergewöhnlichen Land voller Gegensätze. Das Leben der Burmesen ist vom Buddhismus geprägt. Nicht nur die Schönheit der Natur und die unbeschreibliche Gastfreundschaft der Bewohner, sondern auch die Religion, die hier den Alltag bestimmt, schaffen diese außergewöhnliche, faszinierende Atmosphäre. Aber sie ist täuschend. Denn weder der Glanz der vielen goldenen Pagoden, noch das Leuchten der roten Gewänder der Mönche oder die Schauplätze der jahrhundertealten Geschichte können vom "echten" Myanmar ablenken. Flutkatastrophen, die Lebensgrundlagen zerstören und die Zeugnisse kriegerischer Auseinandersetzungen, Minen, die noch immer auf den Feldern liegen und Menschen schwer verletzen - das sind die Bedingungen, mit denen es die armen Menschen in Myanmar aufnehmen müssen.
Über ihren Beweggrund, warum sie genau diesen armen Menschen helfen wollten, sagte Pawlik: "Es ist nicht selbstverständlich, wie gut wir es hier in Deutschland haben! Wir wollten etwas zurückgeben".
Dr. Michael T. Pawlik und Professor Dr. Lukas PrantlCaritas-Krankenhaus St. Josef
Die beiden Mediziner des Caritas-Krankenhaus St. Josef erhielten eine nicht alltägliche Anfrage von hochkarätigen plastischen Chirurgen. Das Team aus Frankfurt am Main erkundigte sich, ob Prantl und Pawlik zu einem humanitären Einsatz in Myanmar bereit wären. Denn in Myanmar existiert eine gute medizinische Versorgung nur für die Wohlhabenden. Zum Vergleich: Der Monatsverdienst in Myanmar liegt bei 100 Euro. Die Operation einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kostet zum Beispiel umgerechnet 1000 Euro.
Caritas ist auch Einsatz für Kranke
Caritas bedeutet Nächstenliebe. Für Prantl und Pawlik gehört das Credo ihres Arbeitgebers zur Grundeinstellung. Sie zögerten keine Sekunde und fingen sofort mit der Planung an. Die Deutsche Gesellschaft Interplast, gegründet 1980, organisiert Reisen für versierte Ärzte, die auch unter widrigen Bedingungen sicher operieren können. Auch heute haben Menschen in Dritte-Welt-Ländern sonst oftmals keinen Zugang zu solchen Operationen. Der Einsatz in Myanmar wurde von Privatdozent Dr. Klaus Exner, Frankfurt, koordiniert. Der 69-jährige ehemalige Chefarzt hat bereits den 40. Einsatz für Interplast hinter sich und gilt vielen engagierten Ärzten als Vorbild.
In Myanmar gibt es eine Flora und Fauna, von der wir hier träumen. Die Natur ist reich, die Bevölkerung aber arm. Es fehlt überall an Alltäglichem, auch an geeignetem Verbandsmaterial. Die beiden Regensburger Ärzte mussten deshalb eine Vielzahl an medizinischen Gerätschaften und Materialen mit auf die Reise nehmen. Ihr Gepäck wog mehrere hundert Kilogramm; bewusst etwas mehr als benötigt, das Verbrauchsmaterial sollte als Spende in Myanmar bleiben.
Menschlichkeit pflegen
Dann ging es endlich nach Bago, in die viertgrößte Stadt Myanmars. In der Stadt gibt es 250 000 Einwohner, das Krankenhaus für die Allgemeinheit hat 500 Betten. Die Regensburger Ärzte trafen beim Zwischenstopp in Bangkok die Frankfurter Kollegen. Von dort aus setzten sie ihre Reise nach Myanmar fort. Kaum angekommen, wurden sie auch schon zu einer Pagode gebracht, vor der bereits über 200 Patienten hoffnungsvoll auf die Ärzte aus Deutschland warteten. Viele von ihnen waren Kinder und Jugendliche. Sie hatten teilweise ihre Eltern oder Angehörigen dabei. Sie saßen in der Hitze, auf dem staubigen Boden eines buddhistischen Klosters. Für die deutschen Ärzte war dieser Anblick ein besonders bewegender Moment. Auch, wenn sie täglich viele Menschen mit teilweise schweren Erkrankungen und Verletzungen versorgen, war der Anblick so vieler leidgeprüfter Menschen ein besonders bewegender Moment für sie.
Operieren bis zum Umfallen
Dr. Thiha Aung, PD Dr. Klaus Exner, Dr. Wolfgang Payn, Dr. Susanne El Sigai-Teer, Prof. Dr. Lukas Prantl, PD Dr. Michael T. Pawlik und der Anästhesist Dr. Efgeny Kunits mussten nun innerhalb kürzester Zeit entscheiden, für wen eine Operation in Frage kam. Für die Ärzte war dies emotional eine der schwersten Aufgaben. "Da stehst du dann da und würdest am liebsten allen helfen. Und du weißt, es geht nicht. Du musst rational entscheiden, obwohl das Herz etwas ganz anderes sagt", sagte Pawlik. Je nach Krankheitsbild, Alter und Allgemeinzustand wurden 84 Patienten ausgewählt, die insgesamt 97 Operationen erhalten sollten.
Schwerpunktmäßig führte das Ärzteteam Lippen-Kiefer-Gaumenspalten-Operationen durch.Caritas-Krankenhaus St. Josef
Schwerpunktmäßig wurden Lippen-Kiefer-Gaumenspalten operiert. Denn "Menschen mit diesem Krankheitsbild sind oftmals besonders benachteiligt. Jeder kann es sehen und viele Mitmenschen schreckt der Anblick ab. Essen, Sprechen und Hören können massiv beeinträchtig sein, die Anfälligkeit für Infekte ist gesteigert", erklärt Lukas Prantl. Auch Patienten mit Verbrennungen wurden versorgt. Diese Verletzungen sind in Myanmar häufig. Überall gibt es offenes Feuer, in jeder Hütte, in jedem Haus sind die Feuerstellen offen. Kleine Kinder verbrennen sich besonders häufig und haben dadurch Narben, die nicht nur entstellend sind, sondern auch die Funktion von Körperteilen einschränken. Viele Kinder können deshalb nicht lachen, greifen oder laufen, hinzu kommen massive Schmerzen. Probleme beim Atmen und Schlucken haben Menschen mit faustgroßen Strumen, landläufig als Kropf bekannt. Auch solchen Patienten musste schnell geholfen werden.
Im Anschluss an die Voruntersuchungen kam das Ärzteteam direkt in den Operationssaal. Was sie dort sahen, war der krasse Gegensatz zu den in St. Josef mit High-Tech bestücken OPs: Keine Lüftung, Schimmel an den Wänden, Schmutz. Immerhin, die Medikamente, Narkosegeräte, Monitoring und steriles Verbrauchsmaterial hatten die Ärzte selbst mitgebracht. Mit ihrem Equipment statteten sie den dortigen Operationssaal aus.
Nach einer kurzen Nacht fingen sie am nächsten Morgen an zu operieren, rund 14 Stunden täglich, bei schwülen 40 Grad. Dieses stundenlange Operieren unter diesen Bedingungen kommt einer körperlichen Höchstleistung gleich. Und auch nach getaner Arbeit musste der Feierabend noch warten. Visiten und Verbandswechsel bei den Patienten mussten noch gemacht werden. Erst danach bekamen die Ärzte ein Abendessen. Neben den Ärzten aus Deutschland gab es auch ein Team von einheimischen Freiwilligen. Es kümmerte sich unablässig um die in der Hitze wartenden Patienten, versorgten sie mit Getränken und Essen. Aber auch die Ärzte wurden von der Gruppe Freiwilliger umsorgt. Und dabei wurde die Dankbarkeit der Menschen nochmals deutlich. Für beide Ärzte auch ein Grund, diesen Einsatz zu wiederholen.
Zusatz-Info: Republik der Union Myanmar
Myanmar liegt in Südostasien und ist flächenmäßig doppelt so groß wie Deutschland. Flutkatastrophen, Erdbeben und kriegerische Handlungen zwischen den Ethnien beuteln das Land. Das Auswärtige Amt warnt: Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und technisch, apparativ oder hygienisch vielfach problematisch. Insbesondere auch über Stechmücken übertragbare Krankheiten und verschmutztes Wasser stellen ein großes Problem dar.