SymbolbildKNA / Oppitz
"Das Alten- und Pflegeheim in Friedheim ist eine vergleichsweise große Einrichtung. Fast 200 Senioren wohnen dort auf mehreren Stockwerken in Ein- oder Zweibettzimmern. Viele leiden an Demenz oder sind gehbehindert. Um ihnen trotzdem ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen, kann jeder – sofern er dazu imstande ist – seinen Tagesrhythmus selbst festlegen. In Pflegeheimen unterscheidet man grundsätzlich zwischen der Altenpflege und der Altenbetreuung. Wie für Praktikanten üblich war ich in der Altenbetreuung tätig.
Am ersten Tag war ich mit vielem überfordert. Vor allem beim Essen. Einer Frau musste ich bei jeder Mahlzeit von Neuem zeigen, wie das Essen vom Teller in den Mund kommt. Sie konnte ihr Mittagessen dann eigenständig zu sich nehmen – hatte die Handgriffe aber bis zum Abendessen wieder vergessen. Ich hatte noch nie zuvor einen Menschen gefüttert. Mit der Zeit lernte ich, dass das am besten funktioniert, wenn man sie an der Hand streichelt und ruhig mit ihnen spricht.
Johannes PlößlSTUDIOLINE Regensburg
Nach dem Essen habe ich mit den Bewohnern Spiele wie "Mensch Ärgere Dich Nicht!" gespielt oder ihnen Gedichte vorgelesen. Zur körperlichen Aktivierung haben wir uns an einen großen Tisch gesetzt und einen Strandball hin und her gestoßen. Zur geistigen Aktivierung habe ich ihnen unvollständige Sprichwörter vorgelesen; trotz ihrer teils schweren Demenz konnten sie sich an fast alle Redewendungen erinnern.
Am Anfang war es oft anstrengend, mich mit den Bewohnern zu unterhalten. Einen Mann, der kürzlich einen Schlaganfall hatte, habe ich kaum verstanden. Viele sprachen leise und verzerrt. Aber alle waren glücklich, wenn ich mich mit ihnen unterhielt. Und viele Gespräche waren sehr interessant: Ein Mann hat mir zum Beispiel vom Krieg und den Umständen im Regensburg der 1940er-Jahre erzählt.
Vor meinem Praktikum habe ich mich nie wirklich mit der Altenpflege beschäftigt. Meine Großeltern sind zwar auch um die 80 Jahre alt, können sich aber noch selbst versorgen. In meiner Woche im Friedheim wurde mir klar, wie einsam manche alten Menschen sind und wie wichtig gut geführte Pflegeeinrichtungen mit genügend gut ausgebildetem Personal sind. Sie stellen sicher, dass Menschen in Würde alt werden können.
Jetzt weiß ich, wie wichtig und gleichzeitig schwierig es ist, alten Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen, und mit wieviel Aufwand das verbunden ist. Ich habe die Arbeit, die Altenpflegekräfte leisten, wertzuschätzen gelernt. Ihre Arbeit ist wichtig und notwendig. Sie wird zu wenig geschätzt. Um noch besser den Alltag von Altenpflege und Altenbetreuung kennenzulernen, hätte ich mir sogar noch eine zweite Praktikumswoche gewünscht.
Ich kann jedem Schüler ans Herz legen, für einige Tage oder Wochen als Praktikant in der Altenpflege zu arbeiten. Das Altenpflegeheim Friedheim in Regensburg kann ich als Praktikumsort uneingeschränkt empfehlen. Das Betreuungspersonal hat meine Unterstützung dankbar angenommen, ich fühlte mich gut integriert. Ich arbeitete zwischen sechs und sieben Stunden, der Arbeitstag war prall gefüllt. Und obwohl es am Anfang sehr anstrengend war, gerade mit dementen Menschen zu arbeiten, hat es mir viel Freude bereitet, mich um sie zu kümmern. Die Arbeit erfüllte mich und am Ende eines jeden Tages ging ich zwar müde, aber zufrieden nach Hause."
Johannes Plößl, 16 Jahre (Auszüge bzw. gekürzte Version des Praktikumsberichtes)
Zusatzinfo: Das ist das Compassion-Projekt
Das Albertus-Magnus-Gymnasium in Regensburg führt das Compassion-Projekt in diesem Jahr bereits zum 17. Mal durch. Ziel des mit allen Schülern der zehnten Klassen durchgeführten Projekts ist es, bei den Jugendlichen soziale Sensibilität zu schärfen und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für andere und zur Solidarität mit Schwächeren in unserer Gesellschaft zu wecken. Die Schüler sollen Gelegenheit haben, ihre sozialen Kompetenzen zu entdecken, zu erproben und zu erweitern. Daher besteht der wesentliche Teil des "Compassion-Projekts" aus einem einwöchigen Praktikum in einer sozialen Einrichtung. Nach dem praktischen Teil wird im Unterricht dieses Thema aufgegriffen und den Schülern Gelegenheit gegeben, ihre Erfahrungen zu reflektieren, vor allem in Form eines Praktikumsberichts.