Regensburg (cn). In der Vorhalle des Elisabethenheims im oberpfälzischen Bruck sitzen rund 20 Senioren zusammen und prosten sich zu. Heute gönnen sie sich Sekt-Orange oder Sekt pur. In Feierlaune schmettern die Mitglieder des Singkreises „Ade zur guten Nacht“; Clara Bruckner, eine der beiden Chorleiterinnen, spielt Gitarre dazu. Die musikbegeisterten Bewohner des Caritas-Altenheims freuen sich über ihren Erfolg: Gerade eben war ein Team des regionalen Fernsehens da und hat ihren neuesten Song aufgezeichnet: „Mensch bleib in der Pflege!“ – ein Reggae, den die Senioren mit bekannten Regensburger Musikern und Mitgliedern der Band „Schulfreunde Müller“ aufgenommen haben. Der Auftritt soll aufhorchen lassen und den Verkauf der „Pflege-Reggae-CD“ ankurbeln; je ein Euro davon geht an die gemeinnützige Caritas-Stiftung.
Das generationenübergreifende Projekt „Pflege-Reggae“ hat einen ernsten Hintergrund: Einer aktuellen Studie zufolge interessieren sich gerade einmal 3,8 Prozent aller Schüler für einen Pflegeberuf. In Trägerschaft der Caritas Regensburg gibt es in Landshut und in Sulzbach-Rosenberg Berufsfachschulen für Altenpflege; in der Diözese Regensburg werden derzeit über 135 junge Menschen in kirchlichen Alten- und Pflegeheimen ausgebildet. Doch damit ist der Bedarf an Auszubildenden im Pflegebereich längst nicht gedeckt, bestätigt auch Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Piendl . Deshalb versteht sich die CD „Mensch bleib in der Pflege!“ auch als musikalische Werbung für den Beruf des Altenpflegers.
Mensch bleib in der Pflege
Frontfrau des Reggaes ist die 16-jährige Teresa Kreusel (Tesi), die Stimme der aus der Bayern-2-Schülerhitparade bekannten „Schulfreunde Müller“ aus der Bischof-Manfred-Müller-Schule in Regensburg. „Freunde von mir haben schon Praktika in Altenheimen gemacht und erzählt, dass es dort bunt und lustig zugeht. Es ist schlimm, wenn dann jemand von den alten Leuten stirbt“, sagt die Zehntklässlerin. Sie findet es gut, dass es Menschen gibt, die diesen Beruf erlernen. „Es sollte mehr geben“, sagt sie. Sie selber helfe zwar gerne Menschen, hat aber beruflich andere Pläne: Teresa möchte am liebsten eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin machen. Nebenbei will sie weiterhin in zwei Bands als Sängerin aktiv bleiben.
Reggae steht für Lebensfreude
Zum „Pflege-Reggae“ ist sie durch ihren Lehrer und Leiter der „Schulfreunde Müller“, Andreas Detterbeck, gekommen. Der begeisterte Gitarrist ist auch mit von der Partie. Arrangiert, aufgenommen und mitkomponiert hat den Song der bekannte Regensburger Rockgitarrist Oliver Zangl kommt der Pflegesong. „Ich finde, das ist einfach eine gute Sache, ich hab gerne stundenlang am Mischpult gebastelt“, sagte er. „Ziemlich bald hatte ich einen Reggae im Ohr. Er drückt so viele Lebensfreude aus“, sagt Zangl . Er ist zufrieden mit dem Ergebnis. Genau wie Keyboarder Robert Seitz, Leiter der Abteilung „Soziale Einrichtungen“ der Caritas Regensburg. Er lieferte das musikalische Grundgerüst. Zusammen mit Marcus Weigl, Caritas-Pressesprecher und ehemaliger Domspatz, hatte er die Idee zum Projekt, das über 90-jährige Menschen und jugendliche Schüler zusammenbringt. „Beim Reggae werden die sonst schwachen Taktteile mehr betont, das ist ein wunderbares Bild für die Pflege“, sagt Robert Seitz. Die Strophen textete Holger Kruschina , Landvolkpfarrer fürs Bistum Regensburg und Bayern.
Singen verbindet – auch im Alter
Mit der Idee sind die Musiker bei den Senioren des Altenheims in Bruck auf Gegenliebe gestoßen. Unter der Regie von Birgit Sperl und Clara Bruckner haben die Mitglieder des wöchentlichen Singkreises den Refrain des Reggaes einstudiert. Im Durchschnitt sind die singenden Seniorinnen und Senioren 85 Jahre alt. „Mensch bleib in der Pflege / Bleib Mensch dabei / Ein welkes Blatt blüht auf und lacht / Der Grund dafür bist Du“, singen Hedwig und Alois Schwarzfischer aus voller Kehle. Hedwig Schwarzfischer lebt seit vier Jahren in St. Elisabeth, ihr Mann Alois kommt gerne zu den Gesangsproben am Freitagvormittag ins Heim. „Meine Frau hat früher Gitarre gespielt und ich habe mal in einem Chor der Handwerkskammer mitgesungen“, sagt Alois Schwarzfischer. Er genießt es, auch im Alter noch ein Hobby haben zu können, das er mit seiner Frau teilen kann. Beim „Pflege-Reggae“ kommt die seit Jahren an den Rollstuhl gefesselte Hedwig Schwarzfischer ganz aus sich heraus. Zum Rhythmus der Musik schwingt sie eine Rassel und nickt mit dem Kopf. „Musik kann bei alten Menschen, gerade auch bei Patienten mit Demenz, viel bewirken“, erklärt Chorleiterin Birgit Sperl. So erinnerten sich viele Senioren noch an Liedtexte aus ihrer Kindheit, auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnerten, was gestern geschehen ist.
Fünfmal mussten die Senioren ihren „Pflege-Reggae“ für den Kameramann vom Fernsehen wiederholen. Es war schon anstrengend, aber froh und stolz sind alle Chormitglieder über das Geleistete. Auch Teresa Kreusel atmet auf. „Ich hätte nicht gedacht, dass das so ein großes Ding wird“, sagt die Schülerin.
Zusatzinfo
Die CD „Mensch bleib in der Pflege“ kann beim Caritasverband Regensburg zum Preis von 9,90 Euro bestellt werden: Telefon 0941/5021-122 oder E-Mail: pflegereggae@caritas-regensburg.de . Außerdem können alle neun Titel auf gängigen Internetportalen heruntergeladen werden. Mehr zum Pflege-Reggae im Internet unter www.altenhilfe-caritas.de
Auf der CD befindet sich viel mehr als der Pflegesong. Neben Liedern der Schulfreunde Müller und des Rockgitarristen Oliver Zangl ist auch ein Lied, gesungen vom Seniorenkreis St. Elisabeth aus Bruck/OPf , zu hören: „Zum Abschied reich ich dir die Hände“. Bei diesem Lied aus dem Jahr 1943 wird der Seniorenchor von Akkordeon-Virtuose Sepp Frank und von Robert Hasleder auf der Mandoline begleitet.