Viele Menschen in Deutschland haben sich noch nicht aktiv mit dem Thema Pflegeversicherung auseinandergesetzt. Zwei Drittel gehen davon aus, dass die eigene Vorsorge für den Pflegefall nicht ausreicht. Während jeder Fünfte in den vergangenen fünf Jahren selbst eine Person im eigenen Haushalt gepflegt hat, hat ein knappes Drittel der Menschen in Deutschland keine persönlichen Berührungspunkte zum Thema Pflege. Der Informationsstand zur Pflegereform und den Neuerungen ist gering. Die Mehrheit hat von den Änderungen ab Januar 2017 noch nichts gehört, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse zeigt. Zugegeben: Die Forsa-Studie wurde bereits 2016 durchgeführt. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass sich daran seither noch nicht viel geändert hat. "Pflege will keiner, daher ist es menschlich verständlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema schwerfällt. Wenn man sie aber braucht, sollte sie gut sein", sagt Dr. Robert Seitz, Abteilungsleiter bei der Caritas Regensburg und für den Bereich Pflege zuständig. Der alljährliche internationale "Tag der Pflege" erinnert seit 50 Jahren an dieses Thema.
Die Studie der TK zeigte auch, dass vielen durchaus bewusst ist, wie wichtig Vorsorge für einen möglichen Pflegefall ist. Andererseits fehlen Vielen der Wille und teilweise auch die Möglichkeiten, sich vorzubereiten. Angesichts der steigenden Zahl Pflegebedürftiger in den kommenden Jahren, empfiehlt es sich aber, sich mit den aktuellen Veränderungen in der Pflege zu befassen. Das Jahr 2017 ist für die Pflege in Deutschland ein besonderes Jahr. Seit Jahresbeginn ist mit dem Pflegestärkungsgesetz (PSG II) die größte Pflegereform seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 wirksam. Aus den drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade. Die größte Errungenschaft der Reform ist wohl die systematische Berücksichtigung von Demenz bei der Bestimmung des Pflegebedarfs. Davon profitieren die Menschen mit Demenz. Insgesamt fließt deutlich mehr Geld ins System: Über eine Anhebung der Beitragssätze zur Pflegeversicherung in den Jahren 2015 und 2017 stehen jährlich etwa sechs Milliarden Euro mehr zur Verfügung, von denen 1,2 Milliarden in den Aufbau eines Pflegeversicherungsfonds als Kapitalstock fließen. Eine große Verbesserung erfährt der ambulante Bereich. Vor Jahreswechsel hatte ein Pflegebedürftiger in Pflegestufe I einen Anspruch auf ambulante Leistungen in Höhe von 689 Euro pro Monat. Mit dem Jahreswechsel wurde er in Pflegegrad 3 übergeleitet, wo der monatliche Sachleistungsanspruch mit 1298 Euro fast doppelt so hoch ist. Derselbe Anspruch besteht zusätzlich für Leistungen der Tagespflege. Für Bewohner in Pflegheimen gibt es zwar auch Verbesserungen, z. B. in der sozialen Betreuung. Die Reform ist aber eindeutig eine Reform gegen stationäre Einrichtungen. "Ambulant vor Stationär!", so lautet der klare Wille der Politik und er hinterlässt seine Spuren für die Betreiber von Pflegeheimen. Neue Vorschriften, veränderte gesetzliche Regelungen, Ausführungsverordnungen – sie alle machen den Heimen das Leben unnötig schwerer. "Dabei gibt es viele Menschen, die in Heimen besser aufgehoben sind oder dort besser aufgehoben wären", ist Seitz überzeugt. Das sehen übrigens auch Bewohner so. Natürlich geht in einem solchen System nichts ohne bürokratischen Aufwand. Unsinniger Dokumentationsaufwand wie stupides Kreuzchen-Machen ist aber auch den Pflegebedürftigen ein Dorn im Auge. Der Sprecher der Bewohner des Regensburger Alten- und Pflegeheims Elisabethinum initiierte deshalb von sich aus eine Petition beim Deutschen Bundestag. Ihr schlossen sich 20 000 Unterzeichner an, und auch der Caritasverband Regensburg unterstützte sie. Gut, dass es ein vielversprechendes Projekt zur Entbürokratisierung gibt. Nach ersten Erfahrungen von Einrichtungen der Caritas Regensburg lässt sich damit der Dokumentationsaufwand in Altenheimen um bis zu 20 Prozent reduzieren. Die Folge: Es bleibt mehr Zeit für die zuwendungsorientierte Betreuung.
Gute Pflege durch gutes Personal
Am Tag der Pflege stehen auch die Pflegekräfte im Mittelpunkt. In der Alten- wie auch in der Krankenpflege herrscht Personalnotstand. In manchen Einrichtungen stehen Wohnbereiche leer, weil es keine Pfleger gibt. Abhilfe schaffen verlässliche Arbeitsbedingungen mit einer fairen, tarifgerechten Bezahlung. Die Caritas zum Beispiel setzt deshalb sehr bewusst auf eine gute, überdurchschnittliche Bezahlung mit Zusatzleistungen wie einer betrieblichen Altersversorgung. Der Jahresverdienst von Pflegekräften kann sich auch im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen sehen lassen. So verdient eine Fachkraft nach vier Jahren jährlich 38 000 Euro, nach fünfzehn Jahren sind es im Schnitt über 44 000 Euro. Eine Pflegedienstleiterin erreicht nach gut fünf Jahren ein Jahresgehalt von etwa 50 000 Euro.
"Die Qualität der Pflege hängt wesentlich von der Qualität der Pflegenden ab", sagt Seitz. Pflegekräfte haben großen Einfluss auf die Lebensqualität der Pflegebedürftigen. Sie leisten Beachtliches. Nicht selten kommen, auch aus dem häuslichen Umfeld, fixierte und mit Medikamenten ruhig gestellte Pflegebedürftige in Pflegeheim der Caritas. Auch auf Initiative der Pflegekräfte werden dort Medikamente abgesetzt und Fixierungen weggelassen. Die Menschen gewinnen ihre Freiheit zurück. Sie sollen auch und gerade mit Demenz bis zu ihrem letzten Tag das Privileg haben, das zu tun, was sie zeitlebens am liebsten taten. Bei einer kürzlich verstorbenen Regensburger Heimbewohnerin war das: Sich Bewegen, den ganzen Tag Wandern, am liebsten im Freien. An einem Tag dokumentierten die Pflegekräfte die Tagesstrecke von 45 Kilometern – ein glücklicher Marathon im grünen Garten des Pflegeheims.
Jedes Lebensalter hat seine eigenen Reiz und seine ganz eigenen Herausforderungen. Ältere und pflegebedürftige Menschen wollen niemanden zur Last fallen. Und doch brauchen und verdienen sie unsere professionelle Hilfe. Ältere Menschen sollen in unserer Gesellschaft ihre Wünsche und Bedürfnisse leben können. Dazu gilt es, die Fähigkeiten und Kompetenzen der uns anvertrauen älteren Menschen zu erhalten und zu fördern. Erst dann bewirkt Pflegequalität auch Lebensqualität im Alter.
Zusatz-Info: 50 Jahre Tag der Pflege
Seit 1967 ist der 12. Mai international der "Tag der Pflege", am Geburtstag von Florence Nightingale. Die Pionierin der Pflege wurde 1820 in Florenz geboren. Im Krimkrieg besuchte sie mit einer Petroleumlampe die von ihr betreuten Kranken im Lazarett. So ging sie als "Lady with the Lamp" in die englische Literatur und in die Geschichte ein.