Regensburg (cn). „Die hohe Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in Deutschland kann nur durch eine konsequente Politik der Befähigung reduziert werden. Entscheidend ist der politische Wille, benachteiligte Kinder und Jugendliche aktiv zu fördern“, machte Caritasdirektor Dr. Roland Batz heute vor Journalisten in Regensburg bei der Präsentation der Caritas-Studie „Bildungschancen vor Ort“ deutlich. Der Deutsche Caritasverband hat zusammen mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie untersucht, welche Voraussetzungen notwendig sind, damit Talente und Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen gefördert und die Chancengerechtigkeit gestärkt werden.
Fast sechs Prozent der Jugendlichen haben im Jahr 2009 in Bayern die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen. Bundesweit sind es über sieben Prozent. „Jeder Schüler ohne Schulabschluss ist einer zuviel“, so der Caritasdirektor. Diese Gruppe junger Menschen ist in höchstem Maße armutsgefährdet. Die meisten von ihnen schaffen weder den Einstieg in ein Ausbildungsverhältnis noch in ein Existenz sicherndes Arbeitsverhältnis noch in die sozialen Sicherungssysteme. Es ist deshalb eine sozialpolitische Herausforderung erster Güte, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass möglichst viele junge Menschen zumindest ihren Hauptschulabschluss erreichen können. Ohne Schulabschluss fehlten den jungen Menschen die Perspektiven für ein späteres Berufsleben. Die Studie zeigt, dass sowohl sozioökonomische Faktoren als auch die Schulpolitik im Bundesland entscheidenden Einfluss auf die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss haben. Dabei sind die Quoten auch im Bistum Regensburg (Oberpfalz und weite Teile Niederbayerns) regional sehr unterschiedlich. In Straubing verlässt fasst jeder elfte Jugendliche die Schule ohne Abschluss, in Landshut ist es jeder sechsunddreißigste. Es kann also nicht die Schulpolitik allein dafür verantwortlich gemacht werden. Einen hohen Einfluss auf die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss haben dabei sowohl die die Arbeitslosenquote des jeweiligen Kreises als auch die Zahl der Schüler an Förderschulen. Die Zahl der Schulabgänger von Förderschulen schwankt stark von Bundesland zu Bundesland und von Stadt zu Stadt. Was die Leistung der Förderschulen betrifft, steht die Diözese Regensburg durch die hervorragende Arbeit der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) aber überdurchschnittlich gut da. „Durch intensive Begleitung und innovative Konzepte erreichen bei uns viel mehr Förderschüler den Abschluss und sind in den ersten Arbeitsmarkt integriert“, sagte Michael Eibl , Direktor der KJF. Es dürften in Bayern auch nicht die Berufsvorbereitungsjahre und die Förderberufsschulen vergessen werden. „Bis zu 90 Prozent der Förderschüler erreichen danach den Hauptschulabschluss“, so Eibl weiter. Diese Zahl wird in der Studie nicht erfasst, weil diese unmittelbar nach der Förder- oder Hauptschule misst.
Nicht bestätigt wurde die Vermutung, allein ein hoher Anteil an Hauptschülern trage zu einer hohen Quote von Hauptschülern ohne Abschluss bei. Das ist ein Stück „Ehrenrettung“ für die Hauptschule! „Keinen nachweisbaren Einfluss auf den Schulabgang ohne Hauptschulabschluss haben auch die Pro-Kopf-Verschuldung der Kommunen und Stadt-Land-Unterschiede“, hält Caritasdirektor Dr. Batz fest. Somit können auch hoch verschuldete Kommunen ihren Beitrag dazu leisten, dass Schüler einen Schulabschluss erreichen. „Keine Kommune kann sich mit Blick auf ihre Verschuldungssituation ihrer Verantwortung entledigen, etwas für ihre Jugendlichen zu tun“, betont Batz. So setzen sich in erfolgreichen Städten und Kreisen alle entscheidenden Akteure vor Ort aktiv für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein. Wenn sich Bürgermeister, Schulamt, Sozialamt, Jobcenter, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Unternehmen zusammensetzen und ein klares vernetztes Förderkonzept ausarbeiten und umsetzen, sinkt die Quote nachweislich. So können es auch Kommunen trotz widriger sozioökonomischer Faktoren schaffen, auch schwächeren Schülerinnen und Schülern einen Schulabschluss zu ermöglichen. „Ich wünsche mir eine Bildungsdebatte, die nicht in Schuldzuweisungen stecken bleibt, sondern alle Chancen auslotet, um Kinder und Jugendliche zu befähigen und so die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss drastisch zu reduzieren“, so Batz.
Zusatzinfo
Die Studie „Bildungschancen vor Ort“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Die Werte auf Landkreisebene sind auf einer interaktiven Landkarte abrufbar unter www.caritas.de/bildungschancen