Alfred Damberger, Leiter der Allgemeinen Sozialberatung und Schuldnerberatung bei der Caritas Regensburg, ist seit kurzem im Ruhestand.Burcom Regensburg/Schophoff
Dietmar (Name frei erfunden) ist mit 30.000 Euro verschuldet. Zudem hat er kürzlich seinen Job verloren und lebt mittlerweile getrennt von seiner Frau. Gemeinsam versuchen sie die Tochter zu erziehen. In schlaflosen Nächten immer wieder dieselbe Frage: Welche Wege gibt es aus der Schuldenspirale? Dietmar ist kein Einzelfall. Laut Schuldneratlas sind im reichen Regensburg knapp zehn Prozent der Einwohner überschuldet - das sind etwa 16 000 Menschen. Die wenigsten schaffen den Weg in ein schuldenfreies Leben alleine. Einige suchen daher Rat bei der Schuldnerberatung der Caritas. Alfred Damberger hat die Beratungsstelle 1991 initiiert und seither zusammen mit seiner Kollegin mehr als 6000 Schuldner beraten. Kein anderer in Regensburg kennt die Wege aus der Schuldenspirale so gut wie er.
Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch nutzen
Hinter jedem "Fall" stecke immer zunächst ein Mensch mit seinen ganz persönlichen Schicksalsschlägen und seiner persönlichen Geschichte, sagt Damberger. Seit kurzem ist er im Ruhestand. "Es gibt keinen Grund, wegen der Schulden schlaflose Nächte zu haben", sagt er in der Rückschau. "Wenn kein Vermögen da ist, kann man keines nehmen." Bei vielen Schuldnern führe der Geldmangel in ein Leben, das von Angst bestimmt sei. Die Gedanken kreisten stets um die Finanzen und versperrten den Blick auf neue Perspektiven. Wer Schulden abbauen möchte, müsse sich der Situation nüchtern stellen. "Niemand muss wegen seiner Schulden ins Gefängnis!" Es gehe darum, die persönliche Lage zu versachlichen und sich einen Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen.
Was einfach klingt, ist für viele ein nahezu unüberwindbares Hindernis. Die meisten Schuldner würden Mahnschreiben gar nicht mehr öffnen, sie hätten längst den Überblick über Rechnungen und Kredite verloren. Der klare Blick auf die Finanzen ist aber die Grundlage dafür, an der prekären Lage etwas zu ändern. "Holen Sie alte Schuhschachteln mit Rechnungen aus dem Keller, trauen Sie sich an die Plastiktüte mit den ungeöffneten Rechnungen", ermutigt Damberger. Bevor die Kredite abbezahlt werden, komme erst einmal das Recht des Schuldners, den eigenen Alltag zu bewältigen. Zu allererst gehe es darum, Miete, Strom und Essen bezahlen oder eventuelle Unterhaltsverpflichtungen leisten zu können. Aus diesem Grund gibt es gesetzliche Freibeträge, die nicht gepfändet werden dürfen. Zudem gibt es die Möglichkeit, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten. Dies ermöglicht den Schuldnern einen finanziellen Neuanfang. Und mit Blick auf seine Caritas-Karriere sagt er: "Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch nutzen. Meine Klienten waren mir immer wichtiger als die Glaspaläste der Banken."
Ungünstig: ein Leben auf Pump
Als Alfred Damberger 1979 bei der Caritas anfing, waren Schulden noch kein Thema in der Sozialberatung. Das hat sich geändert. "Schuldenmachen ist in unserer Gesellschaft normal geworden", sagt der Experte. "Für die heutige Generation ist es ganz logisch, dass sie alles auf Pump kaufen, vom Handy bis zum Auto." Solange man seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt, ist ja auch alles in Ordnung. Das Problem fängt an, wenn sich Menschen überschulden und ihre Schulden nicht zurückzahlen können. Laut Damberger sind folgende drei Ursachen die häufigsten: Arbeitslosigkeit, Krankheit und Scheidung oder Trennung vom Partner. "Meist ist es kein einzelner Grund, sondern es spielen viele Dinge zusammen." Auslöser seien zumeist gravierende Einschnitte im Leben. "Die Arbeitslosigkeit wäre vielleicht kein Problem, wenn nicht gerade das neue Auto abbezahlt werden muss." Viele nehmen weitere Kredite auf, um das Schuldenloch zu stopfen - und geraten so in einen Teufelskreis. Das Problem ziehe sich durch die gesamte Gesellschaft, erklärt Damberger. Zur Caritas in die Beratung kämen aber zumeist einkommensschwache und bildungsfernere Menschen. "Sie wissen nicht so gut über ihre Rechte Bescheid. Auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten, sich aus den Schulden zu befreien, sind nicht so gegeben."
Wie viele der Klienten schaffen überhaupt den Weg aus der Schuldenspirale? Eine Studentin untersuchte im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit kürzlich die Wirksamkeit von Verbraucherinsolvenzverfahren. Mehr als 200 Caritas-Klienten hat sie befragt. Mit dem Ergebnis: Das schwierigste ist der Anfang. Wenn dieser geschafft ist, halten die meisten durch. Warum? "Wir fördern die Selbstwirksamkeit der Klienten. Sie müssen so viel wie möglich selbst machen", erklärt Damberger.
Die Finanzkompetenz liegt brach
Die Schuldenquote nimmt seit Jahren kontinuierlich zu: Mehr als 6,9 Millionen Bürger über 18 Jahre können in Deutschland ihre Rechnungen oder Kredite nicht mehr bezahlen. Das geht aus dem Schuldneratlas 2017 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor. Alfred Damberger sieht diesen Trend in seiner eigenen Statistik bestätigt: 2015 kamen 501 Menschen zu ihm, im vergangenen Jahr waren es 569. "Das Unwissen ist groß, die Finanzkompetenz liegt brach. Wir müssen den Umgang mit Geld viel stärker thematisieren", sagt Damberger und schlägt ein Schulfach zum Thema "Geld" vor. Das Leben werde finanziell gesehen immer komplizierter. "Hier muss mehr Kompetenz vermittelt werden." Jeder Einzelne stehe zudem in der Verantwortung, den Überblick über seine Ausgaben und Einnahmen zu bewahren. "Das ist das wichtigste, um schuldenfrei zu leben."
Alfred Damberger war seit 2001 auch Leiter der Allgemeinen Sozialberatung bei der Caritas Regensburg. Gesellschaftliche Entwicklungen hat er hautnah miterlebt."Die Menschen kommen bei uns mit ihren Problemen ungefiltert an", sagt er. "Immer mehr leben alleine, erziehen die Kinder alleine und beziehen staatliche Transferleistungen, weil sie von ihrer Arbeit nicht mehr existieren können. Die Zahl der Armen steigt." Wer wie Damberger Menschen in sozialen Notlagen berät, müsse dieFähigkeit besitzen, sie im Lichte ihrer Biografie zu sehen und Verständnis dafür aufbringen, dass jemand in eine schwierige Lage gerät. "Wir fragen die Menschen, die zur Caritas kommen, nicht, wer Schuld an der Misere trägt", betont der Sozialpädagoge. In seinem Ruhestand wird Alfred Damberger der Caritas Regensburg sportlich verbunden bleiben. Vor einigen Jahren hat er mit Kolleginnen und Kollegen das Caritas-Laufteam gegründet. Dort hilft er auch in Zukunft laufend.
Zur Person:
Alfred Damberger, 65, hat fast vier Jahrzehnte als Sozialpädagoge beim Caritasverband für die Diözese Regensburg gearbeitet. Er fing in der Migrationsberatung an und wechselte später in die Allgemeine Sozialberatung. Diese hat er knapp zwanzig Jahre lang geleitet. 1991 initiierte er die Schuldnerberatung, die sich als wichtiger Bestandteil der Sozialberatung etablierte. Seit Juni ist Alfred Damberger im wohl verdienten Ruhestand.