Lebensqualität ist keine Frage des Alters
Projektleiterin Monika Gerhardinger (Bildmitte) mit den Ehrenamtlichen Helfern Klaus Schwer und Gerd Schmücker (v.l.n.r.)Caritas Regensburg
"Unser Beratungsangebot für ältere suchtgefährdete Menschen und deren Angehörige wird gut angenommen", sagt Monika Gerhardinger, Suchtberaterin der Caritas und Verantwortliche des Angebots. Jede Woche steht sie für ältere Menschen und deren Angehörige zum Gespräch zur Verfügung. Für Seniorinnen und Senioren ist es oft ein großer Schritt, mit einem Suchtproblem in die Beratungsstelle zu kommen. Sucht im Alter ist ein Problem, das zwar öffentlich langsam mehr Aufmerksamkeit bekommt, das aber immer noch viel zu sehr tabuisiert wird.
Besondere Problemlage
Mit zunehmendem Alter treten vermehrt Krankheiten und Beschwerden auf, die meist eine erhöhte Medikamenteneinnahme zur Folge haben. Hinzu kommt, dass aufgrund physiologischer Veränderungen die Verträglichkeit von Alkohol abnimmt. Soziale Faktoren wie Einsamkeit und Alterskrisen können zu Depression und Ängsten führen. In diesen Fällen suchen ältere Menschen gelegentlich Trost und Entlastung bei Alkohol oder bei Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Ein problematischer Alkohol- und Medikamentenkonsum kann die Lebensqualität im Alter aber drastisch einschränken und birgt die Gefahr einer Suchtentwicklung in sich.
Genau darauf möchte Monika Gerhardinger aufmerksam machen. Sie baute von Anfang an auf die Mitarbeit ehrenamtlicher Senioren vom Treffpunkt Seniorenbüro der Stadt Regensburg. Diese bringen ihre eigenen Erfahrungen mit ein und unterstützen so die Fachkraft in hohem Maß. Ältere Menschen, die häufig nicht mehr mobil sind, können mit Gerd Schmücker vom Treffpunkt Seniorenbüro der Stadt Regensburg telefonisch Kontakt aufnehmen oder auch einen Besuchstermin vereinbaren. Neben Einzelgesprächen hat sich ein angeleiteter Gesprächskreis für Betroffene als Angebot fest etabliert und wird sehr gut angenommen. Bis zu zehn Teilnehmer und Teilnehmerinnen treffen sich regelmäßig im zweiwöchentlichen Rhythmus an einem Donnerstagnachmittag in der Fachambulanz der Caritas in der Hemauerstraße.
Erfolg durch Vernetzung und Fortbildung
Bei der Suchthilfe für Senioren spielt die interne Vernetzung der beiden Caritas-Bereiche Sucht- und Altenhilfe eine wichtige Rolle. Es geht vor allem darum, Suchtprobleme gemeinsam zu lösen. Aufgrund des Inputs der Suchtfachkraft werden die Profis aus der Altenpflege für problematisches Konsumverhalten bei Bewohnern oder Pflegebedürftigen sensibilisiert. Sie kennen die angemessenen Reaktionsmöglichkeiten. Zudem gibt es Richtlinien zur internen Vernetzung von Sucht- und Altenhilfe, die gemeinsam mit Roswitha Maria Straßer und Anita Kerscher, den Referentinnen für stationäre und ambulante Pflege vom Caritasverband Regensburg, und zwei Ehrenamtlichen aus der Suchtselbsthilfe des städtischen Treffpunkts Seniorenbüro erarbeitet wurden. Diese Richtlinien haben sich in der Praxis bestens bewährt.
"Die Fortbildung in den Pflegeeinrichtungen hat einen wichtigen Prozess in Gang gesetzt", resümiert Monika Gerhardinger. Und die Resultate sind sehr positiv. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege tauschen sich untereinander aus. Auch die eigene Einstellung zur Problematik wird kritisch geprüft. Bei Anzeichen für ein Suchtverhalten sucht die Pflegedienstleitung sogleich den direkten Draht zu den Hausärzten der Betroffenen. Sie gibt Rückmeldung über Auffälligkeiten und Veränderungen bei Bewohnern und regt an, Medikamentenpläne zu überarbeiten. "Diese neue Strategie führte schon kurze Zeit nach ihrer Einführung dazu, dass alle Einrichtungen positive Auswirkungen melden konnten", bestätigt Roswitha Maria Strasser. Heimbewohner sind nach einer vom Hausarzt angeordneten Reduzierung der Medikamente oft viel agiler und lebensfreudiger. Für die Mitarbeiter bedeutet das mehr Zeit für die Bewohner, wovon beide Seiten profitieren.
Anregung für Einrichtungen anderer Träger
Monika Gerhardinger investiert zusammen mit den Kooperationspartnern viel Herzblut und Expertise in ihr Angebot. Sie ist mittlerweile eine bundesweit angefragte Fachfrau zu diesem Thema. Jetzt hofft sie, dass das Interesse an dem Thema wächst und auch Einrichtungen anderer Träger von den Regensburger Erfahrungen profitieren. Das Konzept hat sich hervorragend bewährt, die Richtlinien können anderen Einrichtungen als Anregung dienen. Gerhardinger bietet auf Anfrage auch weiterhin Fortbildungsveranstaltungen für Pflegefachkräfte in Altenpflegeheimen, bei ambulanten Pflegediensten oder auch in Pflegefachschulen an.
Hilfsangebote für Senioren
Monika Gerhardinger bietet Einzelberatung für ältere Menschen und ihre Angehörigen an. Interessierte sollten einen Termin vereinbaren, um Wartezeiten zu vermeiden. Auch Hausbesuche sind möglich.
Im zweiwöchentlichen Rhythmus findet am Donnerstagnachmittag von 15 bis 16.30 Uhr ein von der Fachkraft geleiteter Gesprächskreis statt, bei dem sich Betroffene regelmäßig austauschen können. Die Teilnahme ist kostenlos, ein Vorgespräch an der Fachambulanz ist erforderlich. Ehrenamtliche Seniorinnen und Senioren vom Treffpunkt Seniorenbüro und den Selbsthilfegruppen des Kreuzbundes begleiten das Treffen. Sie bieten auf Anfrage Besuchs- und Hol-Dienste, Einzelberatungen und Aufklärung an. Kontakt und Info: Fachambulanz für Suchtprobleme, Hemauerstraße 10c, Telefon 0941/630 82 70. Alle Infos auch im Internet unter www.suchtambulanz-regensburg.de.
Sucht im Alter in Deutschland
Etwa 30 % der Männer ab 65 Jahren trinken so viel, dass sie erhebliche gesundheitliche Risiken eingehen, bei den Frauen der gleichen Altersgruppe sind es 18,5 %. Von den Senioren zwischen 60 und 65 Jahren rauchen 26 % der Männer und 18 % der Frauen. Von den 60- bis 64-Jährigen konsumieren 1,2% täglich Schlafmittel, 1,5 % greifen mit derselben Regelmäßigkeit zu einem Beruhigungsmittel. Viele dieser Pharmaka bergen ein hohes Suchtpotenzial. Der Konsum illegaler Drogen spielt bei älteren Menschen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. In den Einrichtungen der Suchthilfe sind ältere Betroffene und ihre Angehörigen nur selten anzutreffen. 2013 lag ihr Anteil deutlich unter 10 %. (Quelle: DHS, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen)