Professor Dr. Maximilian Burger im Gespräch mit dem Patienten. Caritas Krankenhaus
Wolfgang (Name von der Redaktion geändert) hat Prostatakrebs. Wenn ihn die Krankheit eines gelehrt hat, dann dies: Es gibt keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen. "Der Mensch ist ein komplexes Wesen. Wir wissen längst nicht alles über ihn. Und auch nicht über den Krebs." Er hat gelernt, mit diesen Wissenslücken umzugehen. Und zugleich so viel wie möglich über seinen "Freund", den Prostatakrebs, zu erfahren. Nur so könne er vermeiden, bei seiner Suche nach Heilung auf Irrwege zu geraten.
Wolfgang bekam die Diagnose "Prostatakrebs" vor 13 Jahren. Operation, Strahlen- und Chemotherapien beseitigten den aggressiven Tumor zwischenzeitlich, er galt als geheilt. Doch vor wenigen Monaten wurde erneut ein Karzinom diagnostiziert. Prostatakrebs ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) der häufigste Krebs bei Männern in Deutschland. Pro Jahr erkranken mehr als 60 000 Deutsche an diesem bösartigen Tumor. Sie alle sind auf der Suche nach der besten Therapie und fragen: Was hilft?
Immer mehr Betroffene setzen neben der Schulmedizin auf die Komplementär- und Alternativmedizin. Laut Robert-Koch-Institut nutzt fast jeder zweite Krebspatient in Deutschland zusätzlich zur Standardbehandlung eine alternativmedizinische Therapie oder sogar mehrere, Tendenz steigend. Die Patienten versprechen sich Heilung von Globuli oder Vitamin C, von Akupunktur oder - wie im Falle von Wolfgang - Gleichstrom.
In einem Lifestyle-Magazin versprachen Heilpraktiker: "Wir behandeln Prostatakrebs wirksam mit einer Elektrotherapie." Die Tumorzellen würden über Elektroden mit Strom durchflutet und zerstört. Das Beste daran: keine Nebenwirkungen. "Das ist haltloser Unfug", sagt Professor Dr. Maximilian Burger, Leiter der Klinik für Urologie und des Prostatakarzinomzentrums im Caritas-Krankenhaus St. Josef. Er gehört zu den besten Urologen des Landes. Eine Krebsbehandlung sei für viele Patienten herausfordernd, die Nebenwirkungen mitunter heftig. In dieser für den Patienten schwierigen und belastenden Phase würden die Heilsversprechen mancher Alternativmediziner besonders greifen, warnt Burger. "Eine Krebstherapie gehört in die Hände von kompetenten Ärzten." Und zwar in solche, die mit diffusen Befunden, Unsicherheiten und Wissenslücken umgehen können und diese auch ansprechen. Burger findet es fahrlässig, was solche "Heiler" an todkranken Patienten alles ausprobieren dürfen. Die Alternativmedizin bewege sich offenbar teils im rechtsfreien Raum. Die Wirkungen der Methoden seien oftmals nicht belegt und so manche Therapieform sogar nachweisbar unwirksam, beispielsweise die mit dem Gleichstrom.
Anders in der Onkologie: Im Vergleich zu vermeintlichen Wunderheilern muss die klassische Krebsmedizin ihre Erkenntnisse über eine Vielzahl von wissenschaftlichen klinischen Studien gewinnen und nachweisen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, nur jene Therapien zu bezahlen, deren Wirksamkeit bewiesen ist. Grundlage für diese evidenzbasierte Medizin sind wissenschaftliche Studien, welche die Forschung voranbringen. Sie haben bewirkt, dass viele Krebsarten heute gut zu beherrschen sind und Hoffnung auf mehr Lebensqualität und eine höhere Lebenserwartung besteht. So auch beim Prostatakrebs.
Die Heilungschancen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert: Für lokalisierbare Tumore liege sie bei über 80 Prozent, sagt Professor Burger. Wer jedoch einen Tumor mit Gleichstrom oder Globuli zu bekämpfen versuche, schiebe vielleicht eine lebensverlängernde Chemo- oder Strahlentherapie zu lange hinaus. Denn es gelte: Je früher Prostatakrebs erkannt und behandelt werde, desto höher seien die Heilungschancen.
Alfons Swaczyna, Erster Vorsitzender des Selbsthilfevereins ProcasProcas
"Wer als Krebspatient arglos in den Dschungel der Wunderheiler stolpert, spielt mit seinem Leben. Gerät er an den falschen, riskiert er den frühen Tod", sagt Alfons Swaczyna. Er erkrankte vor einigen Jahren selbst an Prostatakrebs. Heute leitet er die Prostatacarcinom Selbsthilfegruppe Regensburg/Oberpfalz (Procas). Es ist ihm ein Anliegen, die Betroffenen und ihre Angehörigen umfassend zu informieren, im gegenseitigen Austausch von Betroffenen sowie in der Kooperation mit Medizinern. Procas sieht ihre Aufgabe auch darin, den Spezialisten zu vermitteln, welche Fragen und Bedürfnisse der Patient hat. Dieser wünsche sich häufig sanfte Heilmethoden. Swaczyna und Burger sind überzeugt: Wer gut berät, verhindert mitunter, dass Patienten auf Scharlatane hereinfallen.
Die klassische Onkologie sieht die Komplementärmedizin aber nicht nur skeptisch. Für manche Naturheilverfahren ist sie durchaus offen. Die Kritik richtet sich an "Wunderheiler", die bewusst falsche Erwartungen bei todkranken Patienten wecken. Ganz anders blickt Professor Burger auf Heilpraktiker, die ehrlich aussprechen, was sie bewirken können und was nicht. Alternativmedizin kann eine Standardtherapie unterstützen. "Schulmedizin und Komplementärmedizin können Hand in Hand gehen." Da kann er auch mal auf die wissenschaftlichen Belege zur Wirksamkeit verzichten, schließlich gebe es "viel zwischen Himmel und Erde, das wir nicht verstehen." Eines jedoch sei unabdingbar: ein selbstkritischer Blick.
Wolfgang hat seinen Weg gefunden, mit dem Krebs zu leben. Ein medikamentöser Behandlungsplan, ausgearbeitet von seinem niedergelassenen Urologen und fachlich geprüft und bestätigt vom Klinikdirektor, hält die Krankheit in Schach. Er hat sich von falschen Heilsversprechen nicht beirren lassen. Zugleich hat er aber gelernt, dass auch die Psyche und seine Selbstheilungskräfte den Verlauf der Krankheit beeinflussen. Den Prostatakrebs nennt er versöhnlich "seinen Freund".
Zusatz-Info: Informationstag Prostatakrebs
Das Caritas-Krankenhaus St. Josef veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Selbsthilfeverein Procas am Samstag, den 18. November, dazu einen "Informationstag Prostatakrebs". Neben Professor Maximilian Burger hat sich auch der bundesweit anerkannte Experte Dr. Axel Eustachi vom Kompetenzzentrum für Komplementärmedizin und Naturheilkunde der Technischen Universität München angesagt.