Die Psychologen vom Krisendienst Horizont (v.l.n.r.): Leiterin Antje Lange, Anette Zywert (Sekretariat), Georg Sammüller, Anne Komorek-Magin und Elfriede Heller.Caritas/Regensburg
0941 58181 – das ist die Nummer, die Leben rettet. Wer sie wählt, landet beim Krisendienst Horizont in Regensburg. Menschen, die von dem Gedanken getrieben sind, sich das Leben zu nehmen, bekommen dort seit 30 Jahren professionelle Hilfe. Über 500 Personen haben im Jahr 2016 angerufen.
Alle 53 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben. Alle vier Minuten versucht es jemand. Laut des Statistischen Bundesamtes sterben jährlich etwa 10 000 Menschen durch Suizid. Das sind deutlich mehr Todesopfer als durch Verkehrsunfälle, illegale Drogen, Mord und Totschlag zusammen. Trotzdem ist Suizid in der Öffentlichkeit ein Tabuthema. Darauf will der 15. Welttag der Suizidprävention am Sonntag, den 10. September, aufmerksam machen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Initiative der Internationalen Gesellschaft für Suizidverhütung (IASP) haben ihn erstmals im Jahr 2003 ausgerufen. Das Motto in diesem Jahr: "Nimm dir Zeit, sprich an, hör zu – gib Hoffnung."
"Der Welttag der Suizidprävention macht aus einem Tabu ein Thema", sagt die Psychologin Anne Komorek-Magin. Sie ist eine von vier Psychologen, die für den Krisendienst Horizont von Caritas und Diakonie in Regensburg arbeiten. Seit zwölf Jahren begleitet sie Menschen, die Suizidgedanken haben, telefonisch und im direkten Gespräch. Komorek-Magin und ihre Kollegen Elfriede Heller, Georg Sammüller und die Leiterin Antje Lange sind sich einig: Das Thema braucht mehr Aufmerksamkeit. "Es ist wichtig zu zeigen, dass es Lösungsstrategien gibt", sagt Heller.
Die Psychologin Anne Komorek-Magin, eine von vier hauptamtlichen Psychologen, am Horizont-Krisentelefon.Schophoff/Burcom Regensburg
Wie spricht man mit jemandem, der sich das Leben nehmen möchte? "Zuerst hören wir zu", sagt Komorek-Magin. "Dann stellen wir erste Fragen." Es sei wichtig, dass die Psychologen des Krisendienstes ein Gespür für die Anrufer entwickeln. Woher rührt die Verzweiflung? Was sind die größten Ängste, die dringendsten Sorgen? So kann es gelingen, Probleme zu sortieren und eine Brücke zum Klienten zu bauen. Erst wenn diese Verbindung da ist, erspüren die Experten den richtigen Moment, um das Gespräch zu beenden und einen Folgetermin zu vereinbaren, telefonisch oder am besten gleich persönlich.
Nicht nur Suizidgefährdete, auch Familienangehörige, Freunde oder Kollegen von Menschen, die sich umgebracht haben oder es offenbar vorhaben, wenden sich an den Krisendienst Horizont. Wenn sich ein Bekannter auffällig lebensmüde zeigt, gibt es den Psychologen zufolge nur eine Regel: Das Thema ansprechen. Oft befürchten Angehörige, die Suizidgedanken dadurch zu verstärken. "Aber unsere Erfahrung zeigt: Viele sind erleichtert, wenn sie ihre Gedanken benennen dürfen", sagt Sammüller. Gründe, die Menschen in die Verzweiflung treiben, kennen die Psychologen viele: Stress im Job, Furcht vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg, Geldsorgen, Probleme in der Ehe oder der Partnerschaft, neuerdings immer öfter auch Mobbing im Internet.
Wer Menschen mit Suizidgedanken begleitet, steckt viel Zeit und Kraft in seine Aufgabe. Doch es lohnt sich. Weil es das Leben wert ist. Kürzlich klingelte es wieder beim Krisendienst Horizont - nicht am Telefon, sondern an der Bürotür in der Hemauer Straße 8. Der Besucher kam, um sich zu bedanken: Er habe in einer seiner schwärzesten Lebensphase Horizont angerufen - das habe ihm das Leben gerettet.
Zusatzinfo: Ehrenamtliche gesucht
Der Krisendienst Horizont ist an 365 Tagen im Jahr erreichbar. Dafür sorgen auch rund 50 Fachleute aus dem sozialpsychiatrischen Bereich, die ehrenamtlich an 110 Tagen im Jahr den Bereitschaftsdienst übernehmen. Derzeit sucht der Krisendienst Horizont wieder ehrenamtliche Mitarbeiter (eine fachliche Vorbildung ist notwendig). Interessierte wenden sich bitte an das Sekretariat unter der Telefonnummer: 0941/585960. Weitere Infos zum Dienst: www.krisendienst-horizont.de